Der geplante Oderausbau

An welchem Fluss wollen wir leben?

Die Oder ist einer der letzten naturnahen Flüsse in Mitteleuropa und fließt auf über 500 km ohne Staustufen frei bis zur Ostsee. Das naturnahe Flussbett mit Vertiefungen (Kolken) und Erhebungen (Dünen und Sandbänken) und die angrenzenden Ufergebiete (Auen) enthalten viele ökologische Nischen: Lebensräume für Tiere und Pflanzen und Rastplätze für wandernde Vogelschwärme. Dazu gehören einige vom Aussterben bedrohte Vogelarten wie der Seggenrohsänger und die Sumpfohreule. Fische können barrierefrei flussaufwärts aus der Ostsee zu Laichgebieten in der Oder schwimmen. Baltische Störe werden zurzeit in der Oder erfolgreich wieder angesiedelt. Rückzugsräume für seltene Arten an der Oder wurden unter Schutz gestellt, u.a. durch die Einrichtung des Nationalparks Unteres Odertal als einzigen Flussauen-Nationalpark Deutschlands. Diese artenreichen Lebensräume sind durch ein geplantes Bauvorhaben gefährdet.

2015 haben Deutschland und Polen ein Wasserstraßenabkommen für die Grenzoder geschlossen. Eine „Stromregelungskonzeption für den Einsatz von Eisbrechern“ soll sicherstellen, dass Eisbrecher mit großem Tiefgang auf der Oder fahren können. Für dieses Projekt wurde eine Finanzierung von der Weltbank, der CEB (Entwicklungsbank des Europarates) und der EU bewilligt. Eisbrecher werden eingesetzt, damit sich Eisschollen auf der Oder nicht übereinander schieben und ineinander verkeilen, da durch diese Blockade Hochwasser entstehen kann. Der Eisbrecher-Einsatz ist seit rund 70 Jahren ohne Probleme mit zu geringen Wassertiefen möglich, so zuletzt auch im Februar 2021. Daher vermuten Experten, dass der Hochwasserschutz als Vorwand genutzt wird, um die Finanzierung zu erhalten und Ausnahmen für Umweltschutzgesetze (u.a. die europäische  Wasserrahmenrichtlinie) durch das Anführen von „überwiegend öffentlichem Interesse“ zu begründen. Nach dem Ausbau würde die Oder als europäischer Verkehrsweg der Klasse III eingestuft. Danach könnten für den weiteren Ausbau weitere EU-Fördermittel beantragt werden. Da nur wenige Waren auf der Oder transportiert werden, wären die finanziellen und ökologischen Kosten höher als ein möglicher Nutzen. Auf den Hochwasserschutz könnte sich der Ausbau nach Berechnungen von Experten sogar nachteilig auswirken:

Ein breiteres Flussbett und natürliche Überflutungsbereiche an den Ufern können bei vermehrten Regenfällen und Zuflüssen Wasser zurückhalten und so das Hochwasserrisiko verringern. Der Abfluss des Wassers wird verlangsamt, und Schwebstoffe werden in der Aue zurückgehalten. Wenn im Fluss Längs- und Querbauwerke (Parallelwerke und Buhnen) verlängert und erneuert werden, wird sich der Fluss in der Mitte tiefer eingraben und das Wasser schneller aus der Region abfließen. Dadurch würde der Grundwasserspiegel auch in den angrenzenden Auen absinken, und der Boden würde weiter austrocknen, was die Landwirtschaft gefährdet. Tiere und Pflanzen, die auf die Feuchtigkeit in der Aue angewiesen sind, würden ihren Lebensraum verlieren. Auch im Flussbett würden Lebensräume zerstört, weil Kolke und Sandbänke zu einer gleichmäßigeren Fließrinne eingeebnet würden. Das Hochwasserrisiko steigt, wenn der Fluss schneller in einer engeren Rinne fließt und sich schneller zu Hochwasser aufstauen kann. Prognosen zeigen, dass u.a. an den Engstellen in Hohenwutzen und Frankfurt/Slubice durch die Ausbaumaßnahmen ein höheres Risiko für Überflutungen des Deichs entstehen würde.

Im März 2021 wurde eine Petition gegen den Ausbau der Oder an die politischen Entscheidungsträger*innen überreicht. Es gibt viele alternative Konzepte, Hochwasserschutz und Schifffahrt, den Erhalt biologischer Vielfalt und den Nutzen der besonderen Werte der Region für Regionalentwicklung und Tourismus zu vereinbaren.

Wie können wir uns dafür gemeinsam einsetzen?

(Aushang & Flyer zum Oderraum bei den Offenen Höfen Oderberg 2021)

Leseanregungen und Quellenangaben zu “An welchem Fluss wollen wir leben”:

DNR (2021): „Wasserstände an der Oder reichen aus, um Einsatz von Eisbrechern zu ermöglichen“

DNR (2020): „Weltbank-Direktorium setzt Finanzierung des Oderausbaus ohne weitere Untersuchung fort“

DNR (2018a): „Erfolg für den Naturschutz: Zwischenoderland wird nicht eingedeicht“

DNR (2018b): „Ökologischer Hochwasserschutz im Einzugsgebiet der Oder mit Schwerpunkt auf die Modellregion Unteres Odertal“

Gerstgraser (2018): „Wirksamkeit des geplanten Flutpolders Międzyodrze und der Stromregelungskonzeption für den Hochwasserschutz der Unteren Oder“

IGB Policy Brief (2020): „Ausbaupläne an der Oder – Gefahren für Natur und nachhaltigeNutzung“

Maier, Sascha (2021): „#saveoder – Rettet die Oder”

Maier, Sascha (2018): „Schlussfolgerungen aus den Gutachten aus Sicht deutscher NGOs”

Schnauder, Ingo (2018). „Wirkung und Folgen der geplanten HW-Schutzkonzepte SRK und MiĊdzyodrze an der 
Grenzoder”

Weitere Links: 

https://www.arte.tv/de/videos/103834-000-A/deutschland-polen-und-der-oderausbau/

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/seggenrohrsaenger/

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/sumpfohreule/

https://www.nationalpark-unteres-odertal.eu/de/

https://rewildingeurope.com/areas/oder-delta/